Eingereichter Text
The
Mosquito Sound System, ein in England entwickeltes Gerät, das mittels
Schallwellen in hohen Frequenzbereichen Jugendliche von bestimmten
Örtlichkeiten vertreiben soll, gelangt immer öfters auch in der Schweiz
zum Einsatz ("Swiss-Mosquito"). Bekannt geworden sind Einsätze vor
einem Hotel in Chur und vor dem Kantonsgericht in Liestal. In der Stadt
Genf wurde auf den Einsatz aufgrund rechtlicher und politischer
Bedenken verzichtet. Der hochfrequenzmodulierte Ton des Geräts wird in
der Regel nur von Menschen im Alter von unter 25 Jahren wahrgenommen.
Angepriesen wird das Gerät als Abschreckungsmittel gegen Jugendliche.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz der "Mosquitos" bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:
1.
Welches sind die gesundheitlichen Folgen des Einsatzes der
Hochfrequenzgeräte für Kinder, Jugendliche, ältere Erwachsene und
Tiere, und zwar einschliesslich möglicher Langzeitschäden?
2.
Teilt er die Auffassung, dass nach dem Umweltschutzgesetz bzw. der
Lärmschutzverordnung nicht bloss eine gesundheitsschädigende, sondern
auch eine "nur" lästige Beschallung durch solche Einrichtungen
unzulässig ist?
3. Die Tierschutzverordnung verbietet in
Artikel 34 Absatz 3 den Einsatz von Geräten, die akustische Signale
verbreiten. Ähnlich lautet der neue Entwurf (Art. 70 Abs. 2). Welche
Schlussfolgerungen zieht der Bundesrat daraus für den Einsatz von
Geräten, die mittels Schallwellen Menschen abschrecken?
4. Die
"Mosquitos" sollen Jugendliche beschallen. Wie beurteilt der Bundesrat
deren Einsatz im öffentlichen Raum unter dem Aspekt der
Verfassungsmässigkeit (insbesondere im Lichte des
Diskriminierungsverbots) und der EMRK-Konformität?
5. Bislang
wurden solche Geräte von Privaten auch ohne Bewilligung eingesetzt. Die
meisten kommunalen/kantonalen Polizeivorschriften beinhalten eine
Bewilligungspflicht für den Betrieb von Lautsprechern im Freien. Teilt
der Bundesrat die Ansicht, dass der Einsatz von "Mosquitos" unter die
Bewilligungspflicht für den Betrieb von Lautsprechern fällt?
6.
Wie stellt er sich zu einem generellen Verbot des Einsatzes von
"Mosquitos" im öffentlichen Raum und/oder privaten Raum? Ist der
Bundesrat bereit, die geltende Rechtslage mit einem generellen Verbot
solcher Geräte zu verdeutlichen?
Antwort des Bundesrates
vom
28.11.2007
1.
Das sogenannte Mosquito-Gerät sendet ein frequenzmoduliertes Geräusch
aus, dessen hauptsächliche Schallanteile im Frequenzbereich von 17 000
bis 19 000 Herz liegen. Die von der Suva durchgeführten Schallmessungen
haben in 1 Meter Distanz zum Gerät maximale Dauerschallpegel Leq von 98
dB(A) ergeben. Bei korrekter Installation (gemäss Herstellerangaben
mindestens 3 m über dem Boden) ergeben sich so für eine am Boden
stehende Person maximale Schalldruckpegel von 86 dB(A).
Für
Kinder, Jugendliche und Tiere geht im direkten Einwirkungsbereich von
Mosquito-Geräten bei korrekter Installation eine grosse Störwirkung
aus, weil sie im Gegensatz zu älteren Menschen die hohen Frequenzen
hören können. Diese Störwirkung ist der eigentliche Zweck dieser
Geräte. Sobald der räumlich begrenzte Einwirkungsbereich verlassen
wird, nimmt die Störwirkung sehr rasch ab. Bei korrekter Installation
kann gemäss Suva die Gefahr eines bleibenden Hörverlustes praktisch
ausgeschlossen werden. Wird das Gerät unsachgemäss verwendet, kann
jedoch der Schallpegel im Nahbereich in kurzer Zeit einen bleibenden
Hörverlust verursachen.
2. Umweltschutzgesetz (USG, SR 814.01)
und Lärmschutz-Verordnung (LSV, SR 814.41) haben zum Ziel, die
Bevölkerung vor schädlichen oder lästigen Lärmimmissionen zu schützen,
die beim Bau oder beim Betrieb von Anlagen erzeugt werden.
Konkretisiert wird dieser Schutz in der LSV im Wesentlichen durch die
Festlegung von Immissionsgrenzwerten (IGW) für verschiedene Anlagen wie
Strassen, Eisenbahnen und Flugplätze. Der Bundesrat hat die in der LSV
verankerten IGW aufgrund der Kriterien von Artikel 15 USG so
festgelegt, dass die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich
gestört ist. Die IGW gelten bei Gebäuden mit lärmempfindlichen Räumen
sowie in erschlossenen, noch nicht überbauten Bauzonen und in Zonen mit
erhöhtem Lärmschutzbedürfnis. Auf offener Strasse und im Freien gelten
die IGW dagegen nicht. Entsprechend finden sich in der LSV für den Lärm
von Mosquito-Geräten keine IGW.
3. Grundsätzlich lässt sich aus
den Tierschutzbestimmungen keine direkte Analogie für den Schutz des
Menschen ableiten. Im Speziellen kann Artikel 34 Absatz 3 der
Tierschutzverordnung für die Beurteilung von Mosquito-Geräten nicht
herangezogen werden, weil die Geräte nicht gegen Hunde gerichtet sind.
4./5./6.
Mosquito-Geräte werden unter anderem eingesetzt, um den Aufenthalt von
Kindern und Jugendlichen an bestimmten Orten zu erschweren. Nach
Auffassung des Bundesrates ist nicht auszuschliessen, dass der Betrieb
dieser Geräte verfassungsmässig garantierte Grundrechte tangiert.
Namentlich berührt sein können das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs.
2 BV), die persönliche Freiheit - insbesondere unter dem Aspekt der
körperlichen Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) -, der Anspruch von Kindern
und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit (Art. 11
BV) sowie die Versammlungs- und die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10
und 11 EMRK; Art. 16 und 22 BV). Ein generelles Verbot von
Mosquito-Geräten würde aber einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit
(Art. 27 BV) bzw. in die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) bedeuten, die
ebenfalls zu den Grundrechten gehören. Um verfassungsmässige Rechte in
einem Gesetz einzuschränken, bedarf es stets eines öffentlichen
Interesses. Ausserdem muss der Eingriff verhältnismässig sein. Diese
zweite Voraussetzung erachtet der Bundesrat im vorliegenden Fall indes
als nicht erfüllt, weshalb er zum heutigen Zeitpunkt darauf verzichtet,
ein generelles Verbot von Mosquito-Geräten vorzuschlagen.
Der
Bundesrat hält dieses Vorgehen auch deshalb für sachgerecht, weil es
sich bei Mosquito-Geräten um Anlagen im Sinne des Raumplanungsgesetzes
(RPG, SR 700) handelt, die nur mit behördlicher Bewilligung errichtet
oder geändert werden dürfen. Bei der Prüfung entsprechender Gesuche
können die Kantone den Erfordernissen der Lärmbekämpfung nach USG und
LSV, insbesondere dem Vorsorgeprinzip, gebührend Rechnung tragen.
Soweit es den kantonalen Behörden im Rahmen der Bewilligungsverfahren
zusteht, können sie bei ihrem Entscheid auch berücksichtigen, ob und
wieweit der Einsatz solcher Geräte aus jugendpolitischer Sicht adäquat
ist.